21.10.2019
Schweden ist Vorreiter bei erneuerbaren Energien und alternativer Mobilität. Um von den Skandinaviern zu lernen, organisierte der Cleantech-Cluster (CTC) der oö. Standortagentur Business Upper Austria gemeinsam mit Wirtschafts-, Energie- und Forschungs-Landesrat Markus Achleitner sowie Infrastruktur-Landesrat Mag. Günther Steinkellner vom 13. bis 16. Oktober 2019 eine Studienreise nach Göteborg und Stockholm.
Spannende Einblicke in die Entwicklung von einer wirtschaftlich schwächelnden zu einer florierenden innovativen Region lieferte bereits die erste Station der Reise bei der Business Region Göteborg (BRG), der Standortagentur der schwedischen Stadt. Dort gibt es schnelles Glasfaserinternet und die niedrigste Arbeitslosenrate im Land. Die Einwohnerzahl und die Zahl der Jobs sind in den letzten Jahren ebenso gestiegen wie die Reallöhne und die Produktivität. Dazu beigetragen haben neben der BRG mit ihrer strategischen Standortentwicklung vor allem Konzerne wie Volvo oder der Wälzlager-Erzeuger SKF und zahlreiche innovative Start-ups. Wirtschafts-Landesrat Markus Achleitner zog folgendes Fazit: „Forschung und Wirtschaft müssen sich eng verzahnen, nur so kann schnelle Innovation gelingen.“ Beeindruckt zeigte sich Achleitner auch davon, wie sehr die Schweden die Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung nützen. Diesen „Spirit“ möchte er nach Oberösterreich mitnehmen.
Mit mehr als 40.000 direkten Mitarbeitern in der Automobilindustrie in der Region Västra Götaland sind 98 Prozent der Pkw-Industrie und 50 Prozent der Lkw-Industrie des Landes in Göteborg ansässig. Die Automobilindustrie zeigt eine starke Entwicklung hin zu einem umweltfreundlicheren und effizienteren Güter- und Personenverkehr. In der Region Göteborg werden Gebäude durch Fernwärme aus mit Abfall befeuerten Heizkraftwerken und Abwärme aus der Industrie beheizt, Busse fahren mit Strom oder Biogas und Häuser werden mit kaltem Wasser aus dem Fluss gekühlt. Abfall wird zu neuen Materialien recycelt, zur Strom- und Wärmeerzeugung verbrannt oder zu Kraftstoff vergast. Göteborg ist Vorreiter bei nachhaltiger Stadtplanung: eine Wissensregion mit grünen Systemlösungen für Energie, Verkehr, Wasser, Chemie und Abfall.
Von der Innovationskraft der Schweden konnte sich die Delegation aus Oberösterreich beim Besuch des Start-ups MobilityXlab überzeugen. MobilityXlab wurde von den schwedischen Unternehmen Ericsson, Volvo Cars, der Volvo Group, Veoneer & Zenuity und dem Lindholmen Science Park gegründet. Seit Dezember 2017 ist CEVT auch Partner von MobilityXlab. Diese Partner wollen die globalen Wegbereiter der Mobilität der Zukunft sein. Sie wollen gemeinsam mit Start-ups Lösungen, Produkte und Dienstleistungen für die nächste Generation der Mobilität entwickeln.
Der Automobil-Cluster (AC) nutzte den Besuch bei Volvo, um einen weiteren Lieferanteninnovationstag anzubahnen. Der AC war 2018 zweimal mit 40 Partnerunternehmen bei Volvo in Schweden zu Gast. Im Mai lag der Fokus beim Thema Nutz- und Sonderfahrzeuge, im November präsentierte man Technologie aus den Themenbereichen User Experience, Connected Mobility, Lightweight, Electric Drivetrain, Safety & Automation, ADV Aerodynamics und Process Innovation bei Volvo Cars. Der Cluster wird nächstes Jahr außerdem bei einer großen Automobilkonferenz in Göteborg dabei sein.
Der Wälzlager-Erzeuger SKF ist seit 1988 in Göteborg beheimatet. Mit SKF in Steyr laufen derzeit Gespräche bezüglich Partnerschaft im Automobil-Cluster. Speziell für das Produkt Wälzlager bringt die zunehmende Elektrifizierung im Antriebsstrang Herausforderungen. Durch Kooperationen im Netzwerk des Clusters kann an innovativen Lösungen für die großen Automobilhersteller (OEMs) gearbeitet werden. Die Reise wurde dazu genutzt, Oberösterreich als Leitstandort für Automobilzulieferer zu präsentieren und zu erfahren, wie SKF die Zukunft des Automobils sieht, um hier die richtigen Anknüpfungspunkte für eine Zusammenarbeit zu finden.
Weiter ging die Reise umweltfreundlich mit dem Zug nach Stockholm, eine Teilstrecke mit der modernen Hochgeschwindigkeitsbahn. Die erste Station führte in den neu entstandenen Stadtteil Barkarby, in dem 7.000 Menschen leben. Der Stadtteil mit seiner modernen Infrastruktur ist das ideale Testgelände für Stockholms autonom fahrende Busse. Die drei Kleinbusse fahren auf einer 2,5 Kilometer langen Route durch den Stadtteil und können von der Bevölkerung bereits genutzt werden. Die Busse fahren bis zu 18 km/h schnell. Hindernissen können sie noch nicht ausweichen, stattdessen bleiben sie stehen. Die Bremsmanöver gelingen allerdings verlässlich. Auch Ladezeiten und Reichweite sind noch nicht optimal. Anfang kommenden Jahres soll es aber schon einige Verbesserungen geben. Geplant ist nicht nur, die Strecke auszuweiten, sondern auch eine App, mit der Fahrgäste den Bus herbeirufen können. Landesrat Günther Steinkellner gab zu: „In Linz haben wir bei der Verkehrsinfrastruktur einen Aufholbedarf von 30 Jahren. Autonome Busse kann ich mir im ländlichen Raum gut vorstellen, in der Stadt müssten sie in neue Projekte integriert werden.“
Mitten in Stockholm befindet sich derzeit eine Mega-Baustelle. Slussen, der zweitgrößte Verkehrsknotenpunkt der schwedischen Hauptstadt, wird um- und neu gebaut. Slussen ist eine Schiffsschleuse zwischen den Inseln Södermalm und Gamla stan. Die U-Bahn-Station Slussen ist die zweitmeistfrequentierte Station des Stockholmer U-Bahn-Netzes. An einem normalen Werktag steigen 79.000 Pendler hier zu und um. Die Vorortbahn Saltsjöbanan endet ebenfalls in Slussen. Im Busbahnhof beginnen viele Buslinien, die Kommunen im Osten der Stadt anbinden. Südlich der Schleuse befand sich seit 1935 ein äußerst raumfordernder Kreisverkehr.
Die beiden Inseln Södermalm und Gamla stan sollen nun durch ein Querungsbauwerk mit acht Fahrstreifen, von denen zwei für den öffentlichen Nahverkehr reserviert sind, ersetzt werden. Breite Fuß- und Radwege werden an die Fahrbahn anschließen. Die Aufenthaltsqualität für Fußgänger und Radfahrer soll durch eine Plaza am Wasser steigen. Zwei Gebäude werden abgerissen und Platz für Cafés, Restaurants und Kultur geschaffen. Der Kreisverkehr wird durch eine herkömmliche T-Kreuzung ersetzt. Die Schleuse muss ebenso modernisiert werden. Sie ist nicht nur für die Durchlässigkeit des Schiffsverkehrs aus dem Mälarsee in die Ostsee notwendig, sondern schützt Stockholm auch vor Hochwasser und sichert die Trinkwasserversorgung für zwei Millionen Menschen. Parallel zur U-Bahn wird eine neue Brücke für Fußgänger und Radfahrer errichtet, die den Zugang zur Altstadt ohne Umwege ermöglicht. Die Hauptverkehrsstraße Stadsgårdsleden wird in einen Tunnel gefasst und die Überdeckelung mit Gebäuden und einem Park bebaut. Das Busterminal wird neu errichtet und direkt mit der U-Bahn verknüpft. Der Bahnhof der Vorortbahn Saltsjöbanan erhält ein zweites Gleis. Das Megaprojekt soll voraussichtlich 2026 fertiggestellt sein.
Vor welchen Herausforderungen Stockholm steht, zeigte eindrucksvoll der Besuch bei der städtischen Verkehrsplanung. Bis 2030 sollen 140.000 neue Wohnungen entstehen. Ressourceneffizienz und gute Erreichbarkeit sind die Grundlagen, acht neue Stadtteile sollen entstehen – zum Teil müssen diese erst entwickelt werden. Das stellt auch die Verkehrsplaner vor große Herausforderungen. In manchen Stadtteilen wurde die Stellplatzdichte für PKW mit 0,5 pro Wohneinheit festgelegt, dafür soll es 2,5 Fahrradabstellplätze pro Wohnung geben. In der Verkehrsplanung haben Gehen und Fahrradfahren oberste Priorität, gefolgt vom Öffentlichen Verkehr und Gütertransport. Es gilt das Motto: "Streets for people and not for parking cars". Der Straßenverkehr soll mit Gebühren gelenkt werden, beispielsweise mit einer Citymaut. Diese führte bereits zu einer Verminderung des Verkehrs um 20 % und zu einer Senkung der Emissionen um 10 Prozent.
Schweden will die Stromerzeugung bis 2040 vollständig auf erneuerbare Energien umstellen. Schon jetzt stammt mehr als die Hälfte des jährlich erzeugten Stroms aus erneuerbaren Quellen, an erster Stelle mit mehr als 40 Prozent steht dabei die Wasserkraft. Bis 2045 will Schweden die Nettoemissionen von Treibhausgasen auf null senken. In ihrer Roadmap zum Ausbau der „fossilfreien“ Produktion haben nicht weniger als neun Branchen konkrete Vorschläge entwickelt. Außerdem will Schweden schon 2030 kein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor mehr zulassen und investiert enorm in den öffentlichen Verkehr.
Das schwedische Verkehrssystem steht vor enormen Investitionen. Von 2018 bis 2030 werden mehr als 33 Mrd. Euro in den Ausbau des Bahn- und Straßennetzes gepumpt. Vor allem die Bahn wird von diesem Investitionspaket profitieren. Einerseits werden dadurch dringend notwendige Upgrades im bestehenden Bahnnetz vollzogen, andererseits kommt es auch zu völligen Neuerschließungen: So plant Trafikverket (die schwedische Verkehrsbehörde) den Ausbau des lange diskutierten Hochgeschwindigkeits-Netzes auf den Strecken zwischen Stockholm und Malmö sowie Stockholm und Göteborg.
Daneben will Schweden eine Vielzahl kleinerer Projekte im ganzen Land verwirklichen, welche die lokalen Akteure überfordern. Um den dabei entstehenden Preisdruck zu mindern, ist die öffentliche Verwaltung bemüht, ausländische Akteure zu engagieren, was auch konkrete Chancen für österreichische Anbieter bedeutet, die mit ihrem speziellen Know-how punkten können. Teilprojekte befinden sich in der frühen Planungsphase und bieten zu diesem Zeitpunkt v.a. Chancen für strategische Verkehrsconsulter.
Zusätzlich werden im selben Zeitraum Projekte von mehr als 16 Mrd. Euro für Betrieb und Instandhaltung der Straße bzw. Projekte von mehr als 12 Mrd. Euro für Betrieb und Instandhaltung der Bahn ausgeschrieben. Diese Vorhaben bieten viele interessante Chancen für Unternehmen in der Baubranche und im Verkehrssektor. Besondere Geschäftschancen in Schweden bestehen für österreichische Maschinen- und Anlagenbauer, im Lebensmittelsektor sowie in der Bauwirtschaft. Vor allem durch die zahlreichen Infrastrukturprojekte könnten sich konkrete Zulieferchancen für österreichische Unternehmen auftun. Die rasch fortschreitende Digitalisierung bietet auch Möglichkeiten für innovative Lösungen im Online-Handel sowie den Bereichen FinTech und EdTech.
Auf Einladung der österreichischen Botschafterin Mag. Dr. Gudrun Graf, Msc in Stockholm fand ein Vernetzungsabend statt, bei dem die Firma Ericsson ihre Sicht der Zukunft bei der Übertragung von Daten präsentierte. Hier waren natürlich der Breitbandausbau und 5G-Technologie als Enabler der Digitalisierung das große Thema.
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