EEE-Recycling: Stakeholder fordern Umdenken und Gesetze

Interview-Situation mit einem Mikrofon
Im Rahmen des CIRCOTRONIC-Projekts wurden Interviews mit Vertreter:innen verschiedener Organisationen geführt © pixelshot via Canva.pro

29.01.2024

Seit dem Frühjahr 2023 beschäftigen sich der Cleantech- und der Mechatronik-Cluster im EU-Interreg-Projekt CIRCOTRONIC mit einer kreislauffähigen Elektro- und Elektronikindustrie. In den vergangenen Wochen wurden die Meinungen und Erfahrungen der Stakeholder:innen zum aktuellen Stand sowie der zukünftigen Entwicklung einer kreislauffähigen Elektronik- und Elektrobranche eingeholt. Die Projektmanager:innen interviewten Stakeholder:innen, die in legislativen, forschenden, beratenden und netzwerkenden Bereichen der Kreislaufwirtschaft in der EEE-Branche, sowie in der aktiven Sammlung-, Aufbereitung und Verwertung von Elektroaltgeräten (EAG) tätig sind.

Interviews wurden mit Vertreter:innen der folgenden Organisationen geführt:


Als Gesprächsleitfaden wurde ein vorgefertigter Fragebogen verwendet, welcher abhängig von den Befragten gegebenenfalls adaptiert wurde. Im Folgenden lesen Sie eine Zusammenfassung der Interviews. Mitunter handelt es sich bei den zusammengefassten Ergebnissen um Einzelmeinungen. Die Zusammenfassung repräsentiert somit keinesfalls die Ansichten des gesamten Pools an Befragten.


Hindernisse für geschlossene Rohstoffkreisläufe

Es gibt zwei Bereiche, die von einer Vielzahl der Befragten als Hindernisse in Bezug auf das Schließen von Kreisläufen genannt wurden. Dies betriff zum einen die Sammlung an sich und zum anderen die fehlende Wirtschaftlichkeit seitens der Wiederverwendung und Aufbereitung.

In Bezug auf eine Sammlung wurde erwähnt, dass es ein besseres Bewusstsein darüber braucht, was Elektrogeräte sind und potenziell ein bequemeres Sammelnetz, das sicherstellt, dass Produkte artgerecht entsorgt werden. Landen EAG und Batterien im falschen Abfallstrom, sind die darin verbauten Ressourcen nicht nur für eine Weiternutzung weitgehend (ausgenommen Metallfraktion, die auch im Haus- oder Gewerbemüll abgeschieden werden kann) verloren, sie können auch ein Sicherheitsrisiko darstellen. Neben der richtigen Entsorgung stellen auch die fehlende Zerlegbarkeit sowie ein Mangel an Informationen darüber, welche Stoffe (z. B. Additive) im Produkt enthalten sind, eine Herausforderung dar.

Des Weiteren gilt die fehlende Wirtschaftlichkeit als Herausforderung bei der Schließung von Kreisläufen. Dabei deckt der Rohstofferlös den Aufwand, der mit der Sammlung und Aufbereitung verbunden ist, nicht (ausgenommen bei der Metallfraktion). Die Befragten erwähnen, dass Primärrohstoffe zu bequem und billig erworben werden können und es an der Bereitschaft (abseits von Metallen) fehlt, Sekundärrohstoffe einzusetzen. Strukturen gelten zudem häufig als eingefahren und folgen dem Weg des geringsten finanziellen Aufwands. Mehrere Befragte haben auch erwähnt, dass die Produktqualität aus ihrer subjektiven Sicht sinkt (z. B. Gehäuse aus Kunststoff vs. Gehäuse aus Metall), dies wirkt sich im Weiteren negativ auf die ökonomische Attraktivität des Recyclings aus.

Des Weiteren wird erwähnt, dass Sekundärrohstoffe aufgrund von Qualitätsaspekten sowie einer fehlenden Planbarkeit (mangels fehlender Daten) häufig nicht ihren Weg zurück in den Kreislauf finden. Auch die Tatsache, dass sich aufgrund der hohen Produktdiversität und deren Zusammensetzung (aufgrund von Produktgruppen und Lebensdauer) viele verschiedene Stoffe, deren Trennung wirtschaftlich nur schwer möglich ist, im Kreislauf befinden, stellt eine Herausforderung dar.

Zudem nannten Befragte technische Einschränkungen (z. B. Cloudsperren) sowie eine unzureichende Herstellerverantwortung (Wer trägt die Verantwortung/Kosten für Produkte, die nicht richtig entsorgt wurden?) als Herausforderung. Auch wurde infrage gestellt, ob eine Sammelquote zur Schließung des Kreislaufs beiträgt oder ob sie diese Entwicklung durch das bloße Erreichen von Mindestquoten nicht eigentlich ausbremst.


Austausch innerhalb der Wertschöpfungskette

Der Austausch wird von der Mehrzahl der Befragten bereits als gut eingestuft, allerdings gibt es weitgehend den Wunsch, diesen noch zu stärken. Als besonders wesentlich wird der Austausch zwischen Abfallwirtschaft beziehungsweise Sammlern und Verwertern und den Herstellern/Inverkehrbringern erachtet. Dabei soll sichergestellt werden, dass Produkte von vornherein so gestaltet werden, dass deren Zerlegung, Wiederverwendung und Recycling möglichst reibungslos ablaufen und möglichst hochwertige Sekundärrohstoffe gewonnen werden.

Teilnehmende merken zudem an, dass ein Austausch zwischen Forschungseinrichtungen über Landesgrenzen hinaus sowie ein Austausch zwischen Forschungseinrichtungen und Normungsinstituten oder der Abfallwirtschaft (insb. in Bezug auf den Produktpass) wünschenswert wäre. Auch ein verbesserter Austausch zwischen Politik und Wirtschaft für die Erstellung von zielführenden Vorgaben wird als sinnvoll erachtet. Zuletzt wurde auch der Austausch mit der Bevölkerung als wesentlich erachtet.


Zufriedenheit mit den finanziellen Rahmenbedingungen

Die Mehrheit der Befragten ist weitgehend zufrieden mit dem aktuellen Förderangebot, nur einige sehen hier Verbesserungsbedarf. Die Befragten nannten zum Beispiel Förderungen, die aus dem EAG (Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz) oder dem UFG (Umweltförderungsgesetz) hervorgehen, genannt, ebenso wie die FTI-Initiative Kreislaufwirtschaft der FFG. Ein Kritikpunkt ist der geringe Spezifizierungsgrad von Förderungen. Eine Befragte wies darauf hin, dass ein Mehr an Förderungen kein Mehr an Förderwerber:innen bedeute. Generell wurde noch der Wunsch geäußert, dass Genehmigungsprozesse beschleunigt werden.

Für Aufbereitungsbetriebe, die oft einen sozialen Konnex haben, ist der Betrieb oft nur durch Förderungen möglich. Dabei braucht es langfristige Zusagen, um Planungssicherheit zu gewährleisten. Um den Stein aus finanzieller Sicht ins Rollen zu bringen, kann es sinnvoll sein, ein Contracts-for-Difference-Prinzip zu fördern.


Politischer Handlungsbedarf

Die Befragten sind weitgehend einig, dass es Gesetze und Bestimmungen braucht, die Kreislaufwirtschaft ermöglichen und fördern. Insbesondere wurde hier erwähnt, dass es Anforderungen zur Recyclingfähigkeit, zum Design (Desgin for Circularity), zum Konstruktionsprinzip (zur Gestaltung bleifreier Elektronik), zur Zerlegbarkeit (insb. in Bezug auf die Batterie ‒ wird z. T. bereits durch Batterie-VO geregelt), zur ReUseability (z. B. Cloudsperren erschweren dies aktuell), zur Langlebigkeit (Kriterien für Mindesthaltbarkeit) und zum Einsatz von Recyclingmaterialien geben soll. Zudem wies ein Befragter darauf hin, in der Zukunft die Sinnhaftigkeit von Produkten infrage zu stellen (z. B. Brauchen wir ein Produkt tatsächlich? Oder verschwenden wir hiermit Ressourcen?).

Um Fehlwürfe zu reduzieren, aber auch einen klaren Plan zu haben, was mit entsorgten Produkten passiert, wurde die Anforderung genannt, dass Recyclingmethoden in der Produktbeschreibung enthalten sein sollten (etwa im Produktpass). Zudem braucht es aus der Sicht der Befragten eine Erweiterung der WEEE, um neue Technologien, die in den vergangenen Jahren vermehrt in Verkehr gebracht wurden (z. B. Wärmepumpen, Lithiumbatterien, PV-Paneele), zu berücksichtigen.

Was den Spezifizierungsgrad betrifft, so gingen die Meinungen auseinander. Einige favorisieren hierbei das Vorgeben von Zielen, wobei die Zielerreichung den Unternehmen obliegt, andere wünschen sich konkrete Vorgaben. Auch erwähnt wurde, dass Abfallwirtschaft und Unternehmen sich an der Gestaltung von Vorgaben beteiligen wollen und dass Unternehmen und Handel, insbesondere bei den oben genannten Anforderungen, in die Pflicht genommen werden sollten. In diesem Zusammenhang wurde mehrmals der digitale Produktpass erwähnt. Unabhängig davon, wie oder welche Vorgaben gestaltet werden, braucht es realistische Übergangsfristen und Planungssicherheit.

Auch die Ökomodulation (ökologische Gestaltung von Lizenzierungsgebühren) wurde von mehreren Befragten erwähnt, während einige diese als sehr sinnvoll erachten und sich ein zielführendes und gemeinsames Vorgehen seitens der EU wünschen, würden andere eher auf Ge- und Verbote setzen.

In Bezug auf die Quantifizierung der Recyclingmengen wurde noch in den Raum gestellt, den Fokus auf Fehlwürfe zu legen, da die Sammelquote einer gewissen Zeitverzögerung unterliegt und somit teilweise ein trügerisches Bild liefert.


Bürokratische Hürden

Bürokratie wird als zweischneidiges Schwert betrachtet. Zum einen sind sich Befragte einig, dass es Regelungen wie Batterie-VO oder Elektroaltgeräte-VO braucht, zum anderen sorgt die Vielzahl an Vorgaben für einen hohen administrativen und finanziellen Aufwand (etwa durch Dokumentationspflichten), verhindert zeitnahe Umstrukturierungen und schränkt den Handlungsspielraum von Akteuren erheblich ein. Zudem führt eine Vielzahl an Regelungen und Verordnungen auch zu Unübersichtlichkeit. Dabei ist es für Unternehmen häufig auch nicht klar ersichtlich, welche Vorgaben zu erfüllen sind.

In Bezug auf den digitalen Produktpass fordern Befragte zum Beispiel, dass dieser nicht zu überladen sein darf und nicht in überbordende Bürokratie ausufert. Als Beispiele bürokratischer Hürden werden die Definition des Abfallbegriffs an sich (erschwert z. B. ReUse-Möglichkeiten) und die Null-Schadstoff-Toleranzgrenzen im Recycling betrachtet. Letztere stellen vor allem beim Recycling von veralteten Produkten eine Herausforderung dar. Ein Befragter stellte zudem auch fest, dass ein Großteil der EEE-Wertschöpfung im Ausland liege und inländische Vorgaben somit teilweise wenig sinnvoll seien.


Was braucht es, damit Produkte am Lebensende richtig entsorgt werden?

Die Befragten haben eine Reihe von Punkten genannt, die dazu beitragen können, dass Elektro- und Elektronikprodukte am Produktlebensende richtig entsorgt werden. Dazu zählen:

  • Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung von Konsument:innen (insbesondere bei Kleingeräten)
  • Aufklärung von Konsument:innen darüber, was mit den EAG passiert, warum diese wertvoll sind und was kluge Produkte sind
  • kurze Transportwege
  • bequeme und ausreichende Sammelstellen (Rückgabe- und Recyclingmöglichkeiten)
  • dem zu entsorgenden Produkt einen Wert geben (Incentives für die Entsorgung schaffen), dies kann, muss aber nicht monetär (z. B. Pfandsystem) sein


Viele der Befragten verweisen darauf, dass es langfristig die Entwicklung weg vom Produktbesitz hin zum Product-as-a-Service (PaaS) braucht.

Um die Produktlebensdauer generell zu verlängern beziehungsweise dafür zu sorgen, dass ein Produkt so lange wie möglich genutzt wird, sind Unternehmen dazu angehalten, entsprechende Strategien, Geschäftsmodelle (z. B. Mietsysteme statt Verkauf) und Business Cases zu schaffen, um die Rücknahme von Produkten zu ermöglichen.


Die dringendsten Punkte, um Kreislaufwirtschaft umzusetzen

Zuletzt wurden die Teilnehmer:innen noch gefragt, welche Punkte sie als am dringendsten zur Schließung von Kreisläufen betrachten. Dabei wurden die folgenden Punkte genannt:

  • gesetzliche Verpflichtungen zur Recyclingfähigkeit, Lebensdauer, ReUse-Fähigkeit und Zerlegbarkeit/Modularität (Auftrennung von Materialien) von Produkten sowie Verpflichtung zum Einsatz von Sekundärrohstoffen ‒ fördert Ecodesign von Produkten
  • Vollharmonisierung der Kreislaufwirtschaftsanforderungen
  • Änderung der Denkweise: Hierbei wurde sowohl erwähnt, dass der Fokus auf das zu erhaltende Produkt gerichtet werden sollte (z. B. ReUse, Refurbish, Remanufacture) als auch sehr gegensätzlich, dass der Fokus vom Produktebenen-Denken hin zum Stoffstrom-Denken gerichtet werden sollte, das Wichtigste sei hierbei, dass Materialien wieder in den Kreislauf gelangen (Recycling).
  • Kosten & Qualität von Sekundärrohstoffen müssen jenen von Primärrohstoffen gleichen.
  • Austausch zwischen Stakeholdern
  • pragmatischer Umgang mit Schadstoffen, die sich aufgrund veralteter Produkte bereits im Kreislauf befinden
  • Unternehmen die Vorteile einer Kreislaufwirtschaft aufzeigen und Anreize schaffen
  • Technologieentwicklung von Aufbereitungs- und Recyclinganlagen fördern
  • Bewusstseinsschaffung bezüglich des Werts von Reststoffen in der Bevölkerung


Abschluss

Generell sind alle Befragten motiviert, Energie und Ressourcen in die Thematik Kreislaufwirtschaft zu investieren. Dies geschieht auf unterschiedlichen Wegen, ob durch die aktive Sammlung und Behandlung von EAG und Batterien, durch das Einbringen von Meinungen in Gesetzgebungsprozessen, die Weitergabe von Informationen, die Ausbildung zukünftiger Generationen über den bestehenden Lehrplan hinaus, durch Forschung oder das Schaffen von Anreizen.


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Michaela Streicher, BA, MSc

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Georg Alber

Georg Alber, BSc

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