29.03.2022
Der erste virtuelle Treffpunkt Kunststoffrecycling 2022 widmete sich einem der Zukunftsaspekte im Recycling – dem chemischen Recycling. Dieses Verfahren wird oft noch als Konkurrenz zu mechanischem Recycling gesehen. Dagegen sprachen sich die drei Referenten der Veranstaltung aber klar aus. Denn gerade Rejects, also Aussortierungen beim mechanischen Recycling, werden so erneut in den Kreislauf gebracht und landen nicht in Verbrennungsanlagen.
Interessant verlief die zu Beginn der Tagung durchgeführte Umfrage des Kunststoff-Clusters unter den Teilnehmer:innen. Auf die Frage, ob die Recyclingquoten ab 2025 nur mit chemischem Recycling zu erreichen wären, stimmten 41 % mit JA und 43 % mit NEIN ab. Die restlichen 16 % blieben unentschlossen. Ziemlich eindeutig war hingegen die Meinung darüber, ob chemisches Recycling zur Recyclingquote hinzugezählt werden soll: 78 % antworteten mit JA, die anderen 12 % waren unentschlossen.
Eine Vorreiterrolle im chemischen Recycling spielt die OMV mit ihrem international patentierten ReOilTM-Prozess, der bereits seit 2018 in einer Pilotanlage in der Raffinerie Schwechat in Betrieb ist. Hier wird aus Altkunststoffen synthetisches Rohöl erzeugt, das zu Treibstoffen bzw. anderen Grundstoffen der Kunststoffindustrie weiterverarbeitet wird. So entsteht eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft.
„Chemisches Recycling ist eine Konkurrenz zu energetischer Verwertung, nicht aber zu mechanischem Recycling“, betonte Wolfgang Hofer von der OMV.
Er sieht es vielmehr als eine Ergänzung zum mechanischen Recycling.
Die große Herausforderung beim chemischen Recycling ist laut Hofer folgende: Wie lässt sich in eine wärmeisolierende Grundmatrix – nämlich Kunststoff – Wärme einbringen? Im ReOilTM-Ansatz wird dazu die Viskosität der Plastikschmelze mit einem Lösungsmittel, das im Kreislauf geführt wird, reduziert. Das Material kann dann in die existenten Stoffströme der Raffinerie eingebracht werden und über den Steamcracker wieder zu Monomeren für die Produktion von Polyethylen und Polypropylen verarbeitet werden. Der Fokus der Kunststofftypen beim ReOilTM-Prozess liegt auf Polyolefinen und Polystyrol.
„Geringe Mengen von fünf bis sieben Prozent an anderen Kunststoffen wie Polyamid oder Polyurethane verträgt der Prozess. An PVC bis etwa ein Prozent, Biokunststoffe – abgesehen von Bio-Polyolefinen – verursachen durch den hohen Sauerstoffgehalt eher Probleme“, erklärte Hofer.
Eine Nasswäsche des Eingangsmaterials sei nicht notwendig, es sollte aber möglichst gut von Sand, Glas, Metall und anderen abrasiven Stoffen entfrachtet sein.
Daniela Meitner, zuständig für Forschung und Entwicklung bei der NGE Next Generation Elements GmbH, stellte mit SynCycle® eine weitere Technologie vor. NGE hat diese gemeinsam mit BioEnergy International (BDI) aus Graz entwickelt. SynCycle® ist ein modulares Pyrolysekonzept, das ein robustes und einfach zu bedienendes System für dezentrales chemisches Recycling von hauptsächlich polyolefinischen Kunststoffresten bietet. Bei der Pyrolyse wird das Material auf ca. 500 Grad Celsius erhitzt und das entstehende Gas wird über zwei Kondensationsstufen abgekühlt. Dabei entstehen zwei Öl- und eine Gasfraktionen, die über eine Gasturbine weiterverwendet wird. Bei der derzeitigen Testanlage ist der Durchsatz mit 200 kg pro Stunde limitiert. Ende 2022 soll eine Produktionsanlage in Völkermarkt in Kärnten mit einem Durchsatz von 7.000 Tonnen pro Jahr in Betrieb gehen.
„Bei der KC-Fachtagung Kreislaufwirtschaft am 20. und 21. Juni widmen wir uns verschiedensten Innovationen für eine nachhaltige Kunststoffbranche. Dabei besichtigen wir diese Anlage vor Ort“, informierte Christian Mayr, Projektmanager im Kunststoff-Cluster.
Ein weiterer Verfechter des chemischen Recyclings ist die Neste Germany GmbH mit Sitz in Düsseldorf. Auch Neste-Manager Stephan Krüger sieht mechanisches und chemisches Recycling als komplementäre Lösungen, um maximale Recyclingquoten zu erreichen. Er glaubt nicht, dass chemisches Recycling dem mechanischen hochwertige Kunststoffabfälle entziehen wird – „alleine schon aus Kostengründen“, wie er sagte. Energietechnisch betrachtet, sei das mechanische Recycling jedoch zu bevorzugen. Aber:
„Wenn Kunststoff nach mehreren mechanischen Recyclingvorgängen nicht mehr recycelbar ist, kommt das chemische Recycling ins Spiel“, sagte Krüger.
Er hinterfragte jedoch auch, ob aus dem Produkt beim chemischen Recycling tatsächlich immer Kunststoff werden muss. Der Sekundärrohstoff muss für ihn nur Ersatz für fossile Rohstoffe sein. Denn letztlich gehe es allein um die Reduktion von CO2.
Krügers Abschlussappell: „Wir sollten jetzt damit beginnen, fossiles Öl zu ersetzen, nicht nur bei der Energie, sondern auch bei den Materialien. Gemeinsam können wir eine Zukunft für Kunststoffe und Chemikalien aufbauen, in der wir uns vom Erdöl befreien können.“
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