25.03.2021
Was kann Künstliche Intelligenz (KI) zur Gestaltung nachhaltiger Lebensräume beitragen? Was haben Donuts, Hunde und Roboter gemeinsam? Diese Fragen erörterten sieben Expert*innen aus unterschiedlichen Bereichen bei der Session „AI for Buildings & Location Development“ am 23. März im Rahmen des OÖ Zukunftsforums 2021. Im Vordergrund stand, welchen Nutzen Künstliche Intelligenz bei Bau und Architektur schafft und wie Nachhaltigkeit und Umwelt in diesen Kontext gebracht werden. Die Impulsreferate machten auch klar, wo die Grenzen der Technologie liegen. Schlussfolgerung: KI ist kein Allheilmittel und kann menschliche Kreativität nicht ersetzen, sondern bestenfalls nur unterstützen.
Digitale Technologien können uns in vielen Sparten unterstützen und zu einer schnelleren Entscheidungsfindung führen. Bei der Entwicklung von Lebensräumen ist aber immer noch der Mensch mit seiner Kreativität, visionärem Denken und Empathie gefragt. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz sollte immer einen gesellschaftlichen Mehrwehrt schaffen. Darum ging es auch in den Vorträgen der Expert*innen für die rund 100 Teilnehmer*innen der virtuellen Session des Möbel- und Holzbau-Clusters, Cleantech-Cluster, IT-Clusters sowie der Abteilung Investoren- und Standortmanagement der oö. Standortagentur Business Upper Austria.
Beton ist das wichtigste Baumaterial weltweit: Jährlich werden rund 20 Milliarden Tonnen davon verbaut. Knapp acht Prozent aller Emissionen werden von der Beton- und Zementindustrie verursacht. Eine der aktuell größten ökologischen Herausforderungen besteht darin, möglichst rasch nachhaltigere Betonmischungen zu finden – die Validierung ist allerdings extrem zeitintensiv. Da kommt die Firma Mixteresting mit ihrer Künstlichen Intelligenz ins Spiel. Die Software ermöglicht eine virtuelle Entwicklung und Simulation von Baustoffen. „Durch die virtuelle Simulation kommt man zehnmal schneller zu Resultaten, wodurch sich wiederum 90 Prozent der Kosten sparen lassen“, erklärte Mag. Franz Haller, Geschäftsführer und Gründer der MIXTERESTING GmbH den größten Benefit des KI-Tools. Für eine optimale Funktionsweise wurden der KI bei der Programmierung drei Zielsetzungen vorgegeben: Lerne aus Misserfolgen und verbessere das Modell. Lerne aus Erfolgen und versuche es noch besser zu machen. Bleib abenteuerlich und such nach interessanten Mischungen, an die noch niemand gedacht hat. Haller ist überzeugt, dass der Einsatz ihrer Software zu einer drastisch verbesserten CO2-Bilanz führen kann.
„Wenn alle Betonmischungen mit Mixteresting gemacht werden würden, könnten wir pro Jahr 700 Millionen Tonnen CO2 einsparen.“
Angelos Chronis, MSc vom Austrian Institute of Technology, stellte in seinem Vortrag InFraRed (Intelligent Framework for Resilient Design) ein Tool vor, das Deep Learning, große Simulationsdatensätze und interaktive Schnittstellen nutzt, um die Stadtplanung zu revolutionieren. Simulationssysteme können uns Menschen die Entscheidungsfindung erleichtern, brauchen aber oftmals viel Zeit. Das City Intelligence Lab am Austrian Institute of Technology hat sich der Herausforderung gestellt, diese Zeit zu verkürzen, um schneller Antworten geben zu können und dadurch die Entscheidungsfindung zu verkürzen. Das System verknüpft Simulationen mit Machine Learning und schafft dadurch neuronale Netze, die laufend dazulernen. In der Stadtplanung kann InFraRed beispielsweise für Wind- oder Klimasimulationen sowie Simulationen von Lärm und Verschmutzung genutzt werden, aber auch um festzustellen, wie schnell man innerhalb der Stadt von einem Punkt zum anderen kommt. Das City Intelligence Lab geht mit seinem Tool weit über iteratives Design hinaus.
„Der Computer liefert tausende potenzielle Lösungen und der Mensch arbeitet damit weiter. Das ändert die Art und Weise wie wir designen völlig.“
„Seit über drei Millionen Jahren nutzt der Mensch Werkzeuge, immer mit dem Vorsatz, sein Leben zu verbessern und sich einen Vorteil zu verschaffen“, leitete Dr.Ing. DI Sandra Häuplik-Meusburger von der TU Wien ihren Vortrag ein. „Die Beziehung zwischen Mensch und Maschine ist kompliziert und wird immer wieder neu diskutiert.“ Dass dies jedoch keine Entweder-oder-Diskussion sein muss, wurde bei ihrem Beispiel einer visionären Besiedlung auf dem Mars deutlich. Es war noch nie ein Mensch am Mars, aber dank des Mars-Rovers haben wir Bilder, die uns zeigen, wie es auf dem fernen Planeten aussieht. Der Rover muss autonom Entscheidungen treffen und braucht dafür KI. In 15 Jahren soll die erste bemannte Mission zum Mars starten. Die Weltraumreisenden brauchen dort ein Habitat zum Wohnen, das vorher von Robotern gebaut werden muss. Künstliche Intelligenz ist auch dafür eine Voraussetzung, ebenso wie für den Lebensmittelanbau.
„Nichtsdestotrotz liegt es an uns Menschen, unser Leben am Mars entsprechend unseren Vorstellungen zu gestalten. Wir müssen unsere Kreativität nutzen, um unsere Zukunft so zu gestalten, wie wir sie haben möchten.“
Digitale Technologien haben bereits Einzug in Architektur und Bau gefunden. Das reicht von der Bestandsaufnahme – wie Sammeln und Abrufen von Umgebungsdaten – über die Nutzung von Virtual und Augmented Reality zur Darstellung von Gebäuden bis hin zu Häusern aus dem 3D-Drucker. Neben den Chancen der Digitalisierung zeigte Univ.-Prof. Dr. Sigi Atteneder von der Kunstuniversität Linz aber auch die Grenzen Künstlicher Intelligenz auf: „Die Vielfalt sehe ich vielfach verloren gehen. Mein Eindruck ist, dass Digitalisierung auch dazu beigetragen hat, dass alles gleich aussieht auf der ganzen Welt.“ Intelligente Architektur muss seiner Ansicht nach Lösungen auf die großen Herausforderungen unserer Zeit – wie der fortschreitenden Umweltzerstörung oder der größer werdenden Schere zwischen arm und reich – liefern.
„Der Einsatz von KI sollte gut überlegt sein und daran gemessen werden, ob es einen Nutzen bringt.“
BIM, ERP, CNC, Robotik, CAD/CAM – auch im Holzbau ist die Digitalisierung mittlerweile angekommen. Dr. Martin Riegler vom Kompetenzzentrum Holz beschäftigt sich in einem aktuellen Forschungsprojekt damit, wie die Fertighausproduktion durch KI unterstützt werden kann und gab Einblicke dazu. Virtuelle Bilder auf reale Objekte projizieren: So funktioniert Spatial Augmented Reality, eine spezielle Art der Augmented Reality-Technologie. Das Assistenzsystem hat im Wesentlichen zwei Komponenten: Ein Projektor projiziert den CAD-Plan direkt auf die Arbeitsfläche. Das zweite Tool ist das Kamerasystem. Nachdem das Bauteil auf der Arbeitsfläche platziert wurde, überprüft die Kamera, ob die Komponente auch dort liegt, wo sie liegen soll. Wenn sich die einzelnen Bauteile am richtigen Platz befinden, leuchten sie grün. In einem Experiment mit zwei Testgruppen – eine arbeitete mit dem digitalen Assistenzsystem, die andere mit Papierplänen – erreichte die Testgruppe mit AR-Unterstützung eine um 50 Prozent kürzere Fertigungszeit und hatte eine geringere empfundene Belastung als die andere Gruppe. Zudem gab es eine geringere Fehleranzahl bei Testpersonen mit wenig Vorerfahrung.
„Ziel soll nicht sein, dass wir Menschen durch Maschinen oder Künstliche Intelligenz ersetzen. Unser Ansatz ist, dass wir die Arbeitskräfte unterstützen durch diese Technologien.“
In vielen Regionen Österreichs haben sich Wohnsiedlungen und der Handel in einem Ring um die Ortskerne angesiedelt und die Zentren leergesaugt. In der Raumplanung spricht man vom Donut-Effekt. Was könnte Künstliche Intelligenz dazu beitragen, dass aus den Donuts wieder Krapfen mit Füllung werden und unsere Ortskerne wiederbeleben? Dieser Frage widmete sich DI Christof Isopp, Gründer von Die Verknüpfer und Zukunftssorte. Für Isopp steht fest: „Es gibt kein Patentrezept für die Ortskernbelebung, es gibt nur maßgeschneiderte Lösungen die von Leuten entwickelt werden, die diese Räume künftig nutzen.“ Die Potenziale von KI sieht er eher in Themen wie der Neuorganisation der Mobilität.
„Wenn es um die Entwicklung von menschlichen Lebensräumen geht, müssen das die Menschen gestalten, die darin leben. Das lässt sich schwer ersetzen aus meiner Sicht.“
Mag. (FH) Matthias Moosbrugger, MBA von der Firma Rhomberg Bau zeigte, wie das Bregenzer Unternehmen die Bauindustrie revolutionieren will. Bei Rhomberg Bau hat man schon vor rund 20 Jahren begonnen, sich verstärkt mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Dem Unternehmen war schon damals klar, dass sich Prozesse radikal ändern müssen – 40 bis 50 Prozent des weltweiten Ressourcenverbrauchs sind auf Energieaufwände aus der Bauindustrie zurückzuführen. So hat sich die Rhomberg Gruppe von einem reinen Bauunternehmen zu einem Technologieunternehmen entwickelt, das unterschiedlichste digitale Technologien und Systeme nutzt. Junge Mitarbeiter*innen werden durch entsprechende Datenunterstützung durch den Bauprozess geleitet. Dank des Einsatzes von KI bekommen sie frühzeitig eine Warnung, wenn das System erkennt, dass sich ein Projekt aufgrund des Zusammenspiels verschiedener Faktoren negativ entwickeln wird. Aktuell befinden sich mit „Bud“ und „Terence“ außerdem zwei Roboter-Hunde im Einsatz, die auf Baustellen im Bereich der Vermessung, bei Inventurarbeiten, der Baufortschrittserkennung oder in Bereichen mit geringer Sicherheit eingesetzt werden. Ziel ist es, Prozesse für den Kunden zu optimieren, damit dieser sich Zeit und Kosten und dadurch wiederum Ressourcen spart. „Wir wollen nachhaltig bauen, dafür wird es weiter notwendig sein, unsere Prozesse zu disruptieren“, betonte Moosbrugger.
„Wir glauben, dass wir erst am Anfang stehen. Aber es ist der einzige Weg, wie wir uns als Industrie weiterentwickeln können.“
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