06.06.2019
Über 20 Expertinnen und Experten erarbeiteten am 24. Mai im inspirierenden Maker-Space der Grand Garage in der Tabakfabrik Linz gemeinsam Herausforderungen und Einsatzmöglichkeiten innovativer und nachhaltiger Performance-Kunststoffe, die aus rezyklierten Altreifen hergestellt werden.
Mittlerweile ist es breiter Konsens: Post-Consumer-Materialien sind zu wertvoll, um nur einmal verwendet zu werden. Das gilt ganz besonders für das langlebige High-Performance-Produkt Altreifen. War der Altreifen in den vergangenen Jahrzehnten noch vorwiegend Problemstoff, der bestenfalls als Brennstoff in Zementwerken oder als Granulat zur Sportplatz-Bedeckung eingesetzt wurde, so haben sich in den letzten Jahren alternative Verfahren etabliert, die höherwertige Verwendungen von Altreifen-Produkten insbesondere in der Kunststoff-Herstellung möglich machen.
Grund genug, das Thema „Ground-Tire-Rubber-based“-Kunststoffe aus verschiedensten Perspektiven umfassender zu betrachten. Im inspirierenden Umfeld der „Grand Garage“, dem neuen Maker-Space in der Linzer Tabakfabrik, versammelten sich daher über 20 Expertinnen und Expertinnen, um Potenziale und Einsatzbedingungen von Altreifen-basierten thermoplastischen Elastomeren zu diskutieren. Der Einladung zur vom Clean-Tech-Cluster gemeinsam mit dem Kunststoff-Cluster organisierten Veranstaltung folgten Polymerhersteller wie BASF und Borealis, Recyclingunternehmen wie KARGRO Recycling aus den Niederlanden, führende Verarbeitungsbetriebe wie Greiner Assistec, Distributoren wie Plastrans, sowie Experten der Johannes-Kepler-Universität Linz und des Transfer-Centers Kunststoff-Technik (TCKT). Teilnehmer von AMS Germany brachten neue Perspektiven zur Anwendung im 3D-Druck ein. DAGopt zeigte überdies Möglichkeiten der mathematischen Computer-Simulation für Material- und Bauteil-Design auf.
Den Impuls für den Workshop gab das Unternehmen rucothel – performance-powered plastics. Rucothel ist ein Pionier in der Entwicklung und Herstellung von thermoplastischen Elastomeren auf Polyurethan- und Polyolefinbasis mit hochreinem, kryogen vermahlenen Altreifen-Gummimehl und hält Patente für Materialien und Verfahren. Die Eigentümer von KEC rucothel technologies GmbH stellten zu Beginn des Workshops den patentierten Kunststoff rucothel® vor.
„Die rucothel®-Idee entstand aus unmittelbaren Anforderungen in Kieswerken, wo Langlebigkeit und Abriebfestigkeit von Fördergurten und Verschleißschutz von besonderer Bedeutung sind. Schon frühzeitig haben wir erkannt, dass vor allem LKW-Altreifen aufgrund deren Leistungsfähigkeit wohl ein optimales Material sein müssten“, erzählte Thomas Kölbl, Gründungsgesellschafter und CEO von KEC rucothel technologies GmbH. Damit begannen intensive und interdisziplinäre Forschungen und Anwendungstests, sowohl im Bereich des Reifen-Recyclings mit der gerade aufkommenden Kryogen-Vermahlungstechnologie, sowie im Bereich des Kunststoff-Compoundings und der Weiterverarbeitung. „Wir haben das Center for Elastomeric Powders mitbegründet, das neue Anwendungsfelder für Gummi-Rezyklate finden sollte. Aber der wahre Erfolg, Elastomer-Legierungen auf industriellem Niveau herstellen zu können, bedurfte noch vieler Jahre des Experimentierens und vor allem der intensiven Zusammenarbeit mit Partnern wie BASF Polyurethanes oder unserem Compounder-Hersteller INNOVENT Technologies“, ergänzt Kölbl. „Das hat mich sofort an rucothel fasziniert: Dass aus Altstoffen wirklich hochperformante Materialien entstehen können und Nachhaltigkeit dabei keiner erzwungenen Kompromisse bedarf, sondern einfach logische Konsequenz eines sich permanent professionalisierenden Stoffstromes ist“, meinte Dieter J. Angerer, zweiter Eigentümer und COO von rucothel.
In drei Gruppen erarbeiteten dann die Expertinnen und Experten detaillierte Überlegungen zu den Themenfeldern Material, Verarbeitungsverfahren und Märkte solcher GTR-based TPEs wie rucothel. Eine Vielzahl an Anwendungsbeispielen „zum Anfassen“ wurde von rucothel auch mitgebracht.
David Schönmayr vom CTC konnte mit seiner Expertengruppe umfassende Ergebnisse zu chemischen, physikalischen und ökologischen Eigenschaften von GTR-based TPEs erarbeiten. Lösungsansätze zu Temperatur- und Geruchsherausforderungen wurden identifiziert, sowie Wege der weiteren Materialzertifizierung in Hinblick auf Produkt- und Arbeitssicherheit aufgezeigt.
Christian Mayr vom KC moderierte die Diskussion zu Verarbeitungsaspekten von GTR-based TPEs. Dabei konzentrierte man sich zum einen auf Aspekte der industriell weitest etablierten Verarbeitung im Spritzguss, zum anderen auf neue additive Fertigungsverfahren, wie dem 3D-Druck. Für die Spritzguss-Verarbeitung wurden Verarbeitungsparameter, Schneckengeometrien und praktische Themen der Reinigung von Werkzeugen und Maschinen diskutiert. Des weiteren wurde der Frage nachgegangen, wie kompatibel GTR-based TPEs für den 3D-Druck sind, welche Anforderungen an die Extrusionsqualität des Materials zu stellen sind und wie selektives Laser-Sintering (SLS) auch bei solchen Materialien zum Einsatz kommen kann.
Die Expertengruppe unter der Leitung von Daniel J. Winkler, Executive Advisor Business Development von rucothel, versuchte schließlich, den schier unüberschaubaren potenziellen Einsatzmarkt von GTRbased TPEs zu strukturieren und zu priorisieren. Wichtige Anwendungsbereiche fanden sich vor allem im industriellen Bereich des Verschleißschutzes und der Förderbänder, als Schwellenpolster in der Bahninfrastruktur, sowie für Paletten und rigid non-food Verpackungen. Darüber hinaus wurden Anwendungen im HVAC-Bereich, für Batteriegehäuse und allgemeiner für Rohre und Platten sowie „Do-it-yourself“-Maschinenteile und Home Appliances als besonders relevant identifiziert. Das Expertenteam hat sich dann strategischen Aspekten der Markterschließung für GTR-based TPE
gewidmet.
Der spannende Expertentag fand in der lockeren Atmosphäre der inspirierenden „Grand Garage“ mit vielen weiteren anregenden Gesprächen in der neu entstandenen Community seinen angenehmen Ausklang.
Besteht Ihrerseits Interesse, einen ähnlichen Workshop zu einem spezifischen Thema auszurichten, stehen Ihnen David Schönmayr vom Cleantech-Cluster und Christian Mayr vom Kunststoff-Cluster gerne zur Verfügung!
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