21.12.2020
Dekarbonisierung ist das Schlagwort, wenn es um Nachhaltigkeit in der produzierenden Industrie geht. Auch die Kunststoff-Branche forscht und entwickelt Methoden, um den CO2-Fußabdruck von Polymeren zu senken. Bei einem virtuellen NEFI-Treffpunkt des Kunststoff-Clusters lag der Fokus auf Projekten, die sich mit der Nutzung von CO2 als Ressource für die Kunststoffproduktion beschäftigen. Dass das Thema spannend und relevant ist, beweist die Zahl von 60 Teilnehmer*innen.
„Die Nutzung von CO2 als C1-Synthesebaustein ist technisch möglich und vielfach schon technisch ausgereift“, berichtete Univ.-Prof. DI Dr.-Ing. Markus Lehner von der Montanuniversität Leoben. Mögliche CO2-Quellen in Österreich sind die Magnesia-Produktion, Gichtgas aus Hochöfen, Zementwerke, Erdgasaufbereitungen oder Biogas-Anlagen. „Allerdings ist für die Synthese der Kohlenwasserstoffe, aus denen in weiterer Folge Kunststoffe erzeugt werden können, die Bereitstellung von Wasserstoff notwendig“, betonte Lehner. Ein mögliches Herstellungsverfahren für
Wasserstoff ist die Elektrolyse. Mit Hilfe des elektrischen Stroms wird dabei Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. „Für eine negative CO2-Nettoemission muss dieser Wasserstoff aber zwingend mit erneuerbarer Energie erzeugt werden. Sonst würde wieder mehr CO2 emittiert werden, als dabei gebunden wird. „Und dieser grüne Wasserstoff ist derzeit der Engpass“, so der Experte für Verfahrenstechnik des industriellen Umweltschutzes. Für die Herstellung steht im Regelfall nicht genügend erneuerbarer Strom zur Verfügung, deshalb müssten alle möglichen Produktionsrouten für Wasserstoff mit reduziertem CO2-Fußabdruck mitgedacht werden. Lehner betonte, dass generell bei all diesen möglichen chemischen Prozessen keine Stand-Alone-Lösungen sinnvoll sind. Eine synergetische Einbindung in die bestehende Infrastruktur ist immer sinnvoll und notwendig, um beispielsweise Überschusswärme aus Prozessen oder den Sauerstoff, der bei Elektrolyse entsteht, nutzen.
Dass die Nutzung von CO2 im großindustriellen Maßstab möglich ist, wollen die österreichischen Unternehmen OMV, VERBUND, Borealis und Lafarge Zementwerke bis 2030 mit der Errichtung einer Demonstrationsanlage zur CO2-Abscheidung und -Nutzung beweisen. Im Projekt „CARBON2PRODUCT AUSTRIA (C2PAT)“ soll die Abscheidung von CO2 aus der Zementherstellung sowie die Fertigung von Kunststoffen und Kraftstoffen auf Basis erneuerbarer Rohstoffe ermöglicht werden. Die jährlich anfallenden 700.000 Tonnen CO2 des Lafarge Zementwerks Mannersdorf von OMV sollen Mithilfe von Wasserstoff zu Kohlenwasserstoffen verarbeitet werden. Hierbei kommt grüner Wasserstoff zum Einsatz, der durch VERBUND in einem Elektrolyseprozess auf Basis von Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Diese Kohlenwasserstoffe werden im weiteren Produktionsprozess für die Herstellung von Kraftstoffen (OMV) sowie für die Erzeugung von Polypropylen (Borealis) genutzt. „Der Erfolg von C2PAT wird wesentlich davon abhängen, ob die notwendigen finanziellen und regulatorischen Rahmenbedingungen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene geschaffen werden“, betonte Ing. Wolfgang Haider von der Borealis Group, der das Projekt vorstellte. Für Markus Lehner ist dieses Projekt der cross-sektoralen Zusammenarbeit ein hervorragendes Beispiel, um geschlossene Kreisläufe zu demonstrieren: Kunststoff wird in der Zementindustrie als Ersatz-Brennstoff eingesetzt, daraus entsteht CO2, das wieder zu Kunststoff wird.
„Die Nutzung von CO2 ist schon seit den späten 60er Jahren im Gespräch. Es wurde 1000-fach probiert und ist aber nie richtig geglückt. „Erst in einer Kooperation mit der Universität Aachen ab dem Jahr 2008 ist es Covestro im gemeinsamen Forschungszentrum gelungen, diese Technologie ins Laufen zu bringen“, erzählte Dr. Christoph Gürtler von Covestro Deutschland AG aus Köln. Mittlerweile werden beispielsweise Schaumstoffmatratzen aus CO2 hergestellt. Der patentierte, chemische Prozess läuft kontinuierlich ab. Entscheidend für die Herstellung der Polyole aus CO2 ist neben der Verfahrenstechnik das Wissen um die richtigen Katalysatoren. Bei diesen ethylen- oder propylenoxidbasierten CO2 -Ethern wird das CO2 fest in eine Kette als Carbonat-Gruppe eingebaut. Mit verschiedenen Kooperationspartnern laufen Projekte, um Anwendungen des Alltags wie mittlerweile realisierte Hartschaum-Dämmplatten, Tenside oder TPUs zu erschließen.
Die cross-sektorale Zusammenarbeit wurde sowohl von den Vortragenden als auch den Teilnehmer*innen als besonders wichtig für eine Dekarbonisierung der Industrie hervorgehoben.
Der NEFI Innovationsverbund bündelt damit die umfangreiche Erfahrung dieser Expert*innen im Bereich der Energieforschung und Umsetzung von Projekten. Gemeinsam wurde ein Konsortium mit mehr als 80 Unternehmen, 14 Forschungs- und 5 institutionellen Partner*innen gebildet. NEFI involviert Unternehmen aller Sektoren, wie z.B. aus der Lebensmittel-, Maschinenbau-, Kunststoff-, Zement- und Stahlindustrie. Die Bandbreite der in NEFI beteiligten Unternehmen reicht von großen Leitbetrieben bis zu innovativen KMUs.
Christian Mayr, Projektmanager Im Kunststoff-Cluster
„Die Diskussion zeigt, dass wir nicht mehr am Anfang der technologischen Entwicklung stehen, sondern vielmehr mitten in einem unglaublichen Innovationszirkel, wo sich verschiedene Projekte und damit auch Unternehmen gegenseitig ergänzen. Dies beweist auch das C2PAT-Projekt. Die Dekarbonisierung der Kunststoff-Industrie hängt nicht von der CO2-Nutzung ab, sondern vielmehr vom Ausbau der erneuerbaren Energien und deren Nutzung. Wasserstoff scheint der Schlüssel für die Dekarbonisierung zu sein, um schließlich auch Kohlendioxid als Ressource nutzen zu können. Die spannenden Inputs von allen Referenten brachten, denke ich, allen Teilnehmer*innen einen interessanten Mehrwert.“
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